In meiner Arbeit als feministische Körper- und Gestalttherapeutin
verbinde ich die biodynamische Körperpsychotherapie
und die Gestalttherapie mit den Grundsätzen der feministischen
Therapie. Ich denke immer die gesellschaftlich bedingte Lebensrealität
von Mädchen und Frauen mit und begreife sog. Störungen'
und Blockaden auch als Überlebensmechanismen von Frauen im
Patriarchat. Ein Herzensanliegen ist mir, tradierte geschlechtsspezifische
Zuweisungen und Lebensentwürfe zu hinterfragen und zu überwinden.
Die feministische Körperpsychotherapie ist ganzheitlich
und wachstumsorientiert und hat die Erweiterung unserer Ausdrucks-
und Handlungsfähigkeit, das Wiederaneignen unseres (kreativen)
Potentials zum Ziel. Sie will zu freierem und selbstbestimmterem
und auch selbstverantwortlichem Sein und Handeln führen.
Die Biodynamische Körperpsychotherapie als auch die Gestalttherapie
basieren auf dem von Wilhelm Reich erforschten Konzept der Lebensenergie,
bei dem die Befreiung unser eingesperrten (auch
vegetativen) Impulse eine große Rolle spielt.
Wann immer wir unsere Impulse oder Gefühle z. B. aufgrund von
Verboten nicht zum Ausdruck bringen oder in Streß und Schocksituationen
unseren Atem und unsere Haltung verändern, stoppen wir den
freien Fluß der Lebensenergie. Dies tun wir mit Hilfe von
Kontraktionen der Muskeln (Muskelpanzer), aber auch durch das Kontrahieren
jeder einzelnen Zelle (Gewebepanzer). Das bedeutet, dass wir das
freie Pulsieren der Zellen einschränken und sich quasi unsere
Neurose' in jeder einzelnen Zelle verkörpert. Auch die Funktion
unseres körpereigenen Mechanismus im Darmsystem, um Streß
und Neurosen zu verdauen, die sog. Psychoperistaltik,
reduziert sich mehr und mehr.
Folgen davon sind u.a., dass wir uns selbst, unsere Bedürfnisse
und Wünsche immer weniger spüren und leben, aber auch
physischer und psychischer Schmerz, der als Auswirkung des Drucks
blockierter Energie gesehen werden kann. So verbrauchen wir einen
Teil unserer Energie, um den Status quo aufrecht zu erhalten.
Mit vielfältigen Methoden aus der Biodynamik und der
Gestalttherapie will ich dabei unterstützen, die Lebensenergie
wieder zum Fließen zu bringen, das freie
Pulsieren der Zellen, das rhythmische Ausdehnen und Zusammenziehen
der Zelle wieder geschehen zu lassen, was sich als süßes'
Strömen, Wohlbefinden, Ganz-im-Körper-Angekommensein
anfühlen kann; das Gefühl gibt, unseren Körper wieder
zu bewohnen und gleichzeitig zu größerem unabhängigen
Wohlbefinden und einem Gefühl der Verbundenheit
führt.
Ich will dich dabei begleiten, in Kontakt mit dir, deinem Körper,
deinen Gefühlen und deinem inneren Kind/Jugendlichen zu kommen,
Zugang zu deinen Bedürfnissen und zu deinen Grenzen, zu deiner
Lebenslust und Selbstliebe zu finden. Aus feministischer Sicht kann
für Frauen die Entscheidung für das eigene Wohlbefinden
und die eigenen Kraftquellen als Widerstand gegen patriarchale Normen
gesehen werden: 'choosing wellness is an act of resistance.'
Maureen Raburu in: Reinhard, Angela S. et al. (Hrsg.): Dokumentation
22. Feministischer Frauentherapiekongress, 16. - 20. Juni 1999 in
Berlin.
Dabei pendeln wir zwischen nicht verarbeiteten Erlebnissen
aus unserer Kindheit und unserer Lebensgeschichte,
die sich verkörpert hat, und der Gegenwart,
dem Hier und Jetzt hin und her, um auch zu Zielen und Wünschen
für die Zukunft, Herzenswünschen zu finden.
Die folgenden Worte von Geneen Roth verleihen meinem Verständnis
von Heilwerden, von Therapie Ausdruck:
Beim Heilwerden geht es darum,
unsere Herzen zu öffnen,
nicht sie zu verschließen.
Es geht darum, die Stellen in uns,
die die Liebe einlassen wollen,
weich zu machen.
Heilung ist ein Prozeß.
Beim Heilwerden schaukeln wir hin und her
zwischen den Mißhandlungen der Vergangenheit
und der Fülle der Gegenwart und
bleiben immer öfter in der Gegenwart,
Es ist das Schaukeln, das die Heilung bewirkt
nicht das Stehenbleiben an einer der beiden Stellen
Der Sinn des Heilwerdens ist nicht
für immer glücklich zu werden,
das ist unmöglich.
Der Sinn der Heilung ist,
wach zu sein und sein Leben zu leben,
nicht bei lebendigem Leibe zu sterben.
Heilung hängt damit zusammen,
gleichzeitig ganz und zerbrochen zu sein
Es handelt sich um eine tiefe regressive und
dennoch sanfte Erforschung unserer Geschichte und unseres
Seins. Abgespaltene und eingeschlossene Gefühle und Impulse
können über unser Körpergedächtnis wiederbelebt,
erinnert und anschließend integriert werden. Gefühle,
die verbal nicht formuliert werden konnten, werden so konkretisiert
und faßbar. Wo früher Worte fehlten, können wir
jetzt das Erfahrene benennen, das Schweigen brechen. Unser Körper
verschafft uns ebenso wie Träume einen direkten Zugang
zum Unbewußten, zu noch formlosen, ursprünglichen Impulsen,
die nach und nach befreit werden. So können auch Erlebnisse
aus der früh(st)en Kindheit aufgearbeitet werden. Verkörperte
Traumata können aufgelöst/ausgeschmerzt werden, Schreckreste
der Psychoperistaltik zum Verdauen zugeführt werden, sog. offene
Gestalten', unabgeschlossene Erlebnisse einen Abschluß finden.
In der Gegenwart, Jetzt, haben wir die Chance zur Veränderung.
Veränderung, die z.B. durch bewusstes Wahrnehmen und
Akzeptieren geschehen kann. Wir können den sog. Wiederholungszwang
nutzen, um jetzt, dieses Mal zu einer anderen Lösung zu finden,
jetzt neue Erfahrungen zu machen, Wagnisse/Risiken einzugehen,
uns
bis an unsere Grenze vorwagen. Das Potential, das jetzt in der
therapeutischen Begegnung liegt, in dem Kontakt zwischen zwei
Menschen, zwischen
einem ICH und einem DU kann genutzt werden, um unsere Seele
heilen zu lassen.
So werden Masken und Mauern, die uns früher Schutz
boten und jetzt hinderlich sind, langsam wie Schalen einer Zwiebel
abgelöst, um unseren eigentlichen Kern, unsere Impulse, Bedürfnisse,
unser inneres Kind/unsere innere Jugendliche zu befreien, um nach
und nach unsere wahren Farben zum Vorschein zu bringen und leuchten
zu lassen. Unser Blick auf das, was uns umgibt, wird freier.
Alte Filme werden als solche erkannt. Wir erkennen uns und Andere
in unserer Einzigartigkeit und in unserer Verbundenheit.
Schritt für Schritt legen wir unser Wesen frei, lösen
uns von Ketten, die uns am Leben hindern, berühren unsere
Seele mit allen Sinnen, geben unserem Leben mehr und mehr einen
Sinn.
Wir finden mehr und mehr zu unserer eigenen inneren Stimme, werden
zu unserer eigenen Autorität, gelangen Schritt für
Schritt zu mehr innerer und äußerer Freiheit:
Die Freiheit, das zu sehen und zu hören, was
im Moment wirklich ist, anstatt was sein sollte, gewesen ist oder
erst sein wird.
Die Freiheit, das auszusprechen, was ich wirklich fühle und
denke, und nicht das, was von mir erwartet wird.
Die Freiheit, zu meinen Gefühlen zu stehen, und nicht etwas
anderes vorzutäuschen.
Die Freiheit, um das zu bitten, was ich brauche, anstatt immer erst
auf Erlaubnis zu warten.
Die Freiheit, in eigener Verantwortung Risiken einzugehen, anstatt
immer nur auf Nummer sicher zu gehen und nicht Neues zu wagen.
Virginia Satir: Mein Weg zu dir. Kösel 1989, S. 27
Ich habe in der Biodynamik zu einem tiefem Vertrauen
in mich und das Leben, in meinen eigenen Weg und meine Kraftquellen
gefunden - meine Lebenslust, Lebendigkeit und Freude, Selbstliebe
und die Perlen des Lebens' wieder entdeckt - das süße
Strömen der Lebensenergie in meinen Zellen als unabhängiges
Wohlbefinden erfahren und so zu meiner Spiritualität
über meinen Körper und einer kosmischen' Verbundenheit
gefunden.
Die Gestalttherapie hat mich gelehrt, mit Worten
zu berühren, mich wachsen lassen, indem ich mehr und
mehr meine eigene Autorität wurde, auf meine eigene Stimme
höre und meine Wahrheit sagen lerne. Ich habe erfahren,
wie gut es ist, in der Gegenwart anzukommen, mit all ihren Möglichkeiten
zu neuen Entscheidungen und neuer Freiheit, mich jetzt mich und
das Leben mit all meinen Sinnen erleben, erfahren, spüren,
bewußt wahrnehmen lassen. Wichtig war dabei, mich mit dem
Herzen gesehen, erkannt, verstanden und angenommen
fühlen.
Meine Kindheit und Jugendzeit - in einem katholischen Umfeld in
der Südpfalz - mit all den als Mädchen und junge Frau
am eigenen Leib und Seele erlebten und erkannten (gesellschaftlichen)
Ungerechtigkeiten haben mich früh auf meinen feministischen
Weg geführt - als Herzenskämpferin für mehr Freiheit
für Kinder, Jugendliche und Menschen jenseits von einschränkenden
Geschlechtsrollenzuschreibungen und Heterozentrismus. Mein Dank
gilt meinen Eltern und all denjenigen, die mich auf diesem Weg unterstützt
und inspiriert haben und es auch weiterhin tun.
Zum Weiterlesen, eine kleine Auswahl:
Biodynamik
Boyesen, Gerda: Biodynamische Psychologie und Psychotherapie, In:
Vor Freude tanzen, vor Jammer halb in Stücke gehen, Pionierinnen
der Körpertherapie, Sammlung Luchterhand 1989, S. 59ff
Boyesen, Gerda: Über den Körper die Seele heilen, Kösel
19915
Boyesen, Gerda: Psychotherapie und Spiritualität, In: Zundel,
Rolf: Im Energiekreis des Lebendigen, Herder 1995, S. 176ff
Boyesen, Gerda und Mona Lisa: Biodynamik des Lebens, Synthesis 1987
Boyesen, Gerda: Von der Lust am Heilen, Kösel 1995
Boyesen, Mona Lisa: Erogenetik - neue Aspekte in der Biodynamischen
Psychologie, In: Zundel, Rolf: Im Energiekreis des Lebendigen, Herder
1995, S. 186ff
Eberwein, Werner: Impulse von Innen, Transform 19993
Hartard, Eva, Tutschner, Christiane: Vom süßen Strömen
der Lebensenergie, in: Paradise is really here, Dokumentation Zülpich
Kongress 1999
Hartard, Eva, Tutschner, Christiane: Vom süßen Strömen
der Lebensenergie - (Selbst-)Heilungskraft der Libidozirkulation,
in: Lachesis Heft-N° 38 SEXUALITÄT 2007
Gestalttherapie
Beisser, Arnold: Wozu brauche ich Flügel (Flying without wings),
Chu, Victor, de las Heras, Brigitta: Scham und Leidenschaft, Kreuz
1994
Perls, Lore: Leben an der Grenze, Ed. Humanistische Psychologie
1999
Perls, Lore: Der Weg zur Gestalttherapie, Peter Hammer 1997
Stevens, Barry: Gestalt-Körperarbeit in: Petzold, Hilarion:
Die neuen Körpertherapien, Junfermann 1977, S. 244ff
Stevens, Barry: Don't push the river, Peter Hammer 2000
Stevens, Barry und Rogers, Carl: Von Mensch zu Mensch, Peter Hammer
2010 (3. Auflage)
Feminismus
Ayim, May: Grenzenlos und unverschämt. Orlanda 1997
Bilden, Helga: Das Frauentherapiehandbuch, Frauenoffensive 1992
Ernst, Sheila, Goodison, Lucy: Selbsthilfe Therapie. Ein Handbuch
für Frauen, Frauenoffensive 1982
Haines, Staci: Ausatmen, Wege zu einer selbstbestimmten Sexualität
für Frauen, die sexuelle Gewalt erlebt haben, Orlanda 2001
Lorde, Audre, Rich, Adrienne: Macht und Sinnlichkeit, Orlanda 1991
Notz, Gisela: Feminismus, PapyRossa 2011
Reinhard, Angela S. et al. (Hrsg.): Dokumentation 22. Feministischer
Frauentherapiekongress, 16. -20. Juni 1999 in Berlin
Rodewald, Dr. Rosemary: Magie, Heilen und Menstruation, Frauenoffensive
1975
Weed, Susan S.: HeilWeise, Frauenoffensive 1993
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